Ich habe meinen Vater nie richtig verstanden…
Auch als er meinen Geschwistern und mir zu seinem Renteneintritt eine Führung durch das einer Stahlwerk organisiert hat, habe ich es noch nicht vollständig gespürt. Krasse Anlagen, wahnsinnige Dimensionen, aber was hat ihn jetzt genau bewegt? Ausbildung mit 16, ein Arbeitsleben für den Stahl, weit mehr als die Hälfte der Zeit als Betriebsrat, Bundestagskandidat für die Linke als direkter Mitbewerber vom ehemaligen Arbeitsminister Hubertus Heil.
Dieses Jahr habe ich meinen ersten Auftrag von der Salzgitter AG bekommen, aus dem Nichts. Und plötzlich war alles da, haben sich alle Teile zusammengefügt. Irgendwo zwischen Gehörschutz, Staub und Funkenflug. Völlig unvorbereitet. Er hatte mir seine Welt immer nur beschrieben und nur einmal kurz gezeigt, aber jetzt durfte ich sie erleben.
…Nils Schmidt hat mich einfach in seine Welt mitgenommen, wie eine jüngere Version meines Vaters, der genau genommen „nur“ der zweite Mann meiner Mutter, aber der Vater der Herzen war. Ich stand wie ein stiller Beobachter in den Hallen. Ich hörte die Gespräche, die Ruhe und den Respekt im Umgang, während die Produktion weiter vor sich hin lärmte. Die Ruhe, die Offenheit, kurze private Gespräche im Vorbeigehen. Ein Lächeln, ein Handschlag, ein freundschaftliches Nicken, ein Klopfen auf die Schulter. Zusammenhalt. Gemeinsamer Stolz.
Bisweilen um Fassung bemüht, damit mich die Gefühle nicht einfach wegspülen, habe ich versucht, meine Bilder zu machen.
Ich glaube es hat niemand gemerkt. Aber ich merke, dass es meine Sicht auf die Dinge wieder ein wenig verändert hat. Mein Vater kannte jeden im Werk und jeder kannte meinen Vater. Mein Vater hat für die Belegschaft gekämpft, stand an jedem ersten Mai aus vollster Überzeugung auf dem Peiner Marktplatz, hat bei Rentenanträgen geholfen, die Kollegen bei all ihren Problemen begleitet. Mein Vater war für sie alle da, Jürgen war für alle da… das war sein Antrieb.
Ich wünsche mir, dass meine Kinder auch irgendwann einen solchen Moment haben. Im besten Fall etwas früher, damit wir noch darüber sprechen können.
Danke an Sinja Wuttke und die ganze Truppe bei Mannesmann für die einmalige Erfahrung.
Kunde: Salzgitter AG / Assistenz: Florian Koch / Postproduktion: Silke Sauritz
